Was bedeutet uns Silvester?
"Noch 150 Meter zur Zukunft!“ so steht es am Ausgang des S-Bahnhof Köln-Hansaring. Welch verheißungsvolle Worte. Doch folgt man dem Hinweispfeil, so steht man schnell vor einer allseits bekannten Ladenkette mit Elektronik-Artikeln. Schade eigentlich.
Aber wo geht's denn zur Zukunft? Ist die Zukunft für uns denn eigentlich wirklich interessant? Viele von uns leben in gesicherten satten und zufriedenen Verhältnissen. Und hoffen, dass Konjunkturschwäche und Arbeitslosigkeit sie selber möglichst nicht erreichen. Andere blicken angesichts von Klimakatastrophe und unumkehrbaren Umweltschädigungen auch nicht gerade hoffnungsvoll in die Zukunft.
Und trotzdem, oder gerade deswegen, prostet man sich am Anfang eines neuen Jahres zu. "Prosit Neujahr", - "es möge gut sein, das neue Jahr", so die Hoffnung. Wie kann denn ein neues Jahr zu einem guten Jahr werden? Und – was macht denn ein Jahr für uns zu einem guten Jahr?
Der Baseler Bischof Kurt Koch beschrieb zwei Arten von Kalendern: den ‚bürgerlichen’, der viele Termine und Verpflichtungen enthält. Und den "Kalender des Glaubens", der über viele leere und freie Seiten verfügt. Vielen Terminen und Verpflichtungen des ersten Kalenders werden wir uns nicht entziehen können. Der "zweite Kalender" bietet dagegen viele leere Seiten. Mit ihm sind wir angeregt, jeden Tag zu gestalten in dem Wissen, ihn aus Gottes Hand zu empfangen. Und uns daran zu erinnern, dass Gott unser Leben liebend begleitet. Dann zählen nicht mehr Erfolg und Profit, dann zählen Liebe und Menschlichkeit. Und das ist es doch, was unsere Zukunft braucht!
Die katholische Kirche hat das Kirchenjahr schon am 1. Advent begonnen, am 1. Januar feiert sie das "Hochfest der Gottesmutter Maria". Damit wird den Christen eine einfache und doch so große Frau vor Augen gestellt, die sich dem An-Spruch Gottes öffnete und in aller Einfachheit und für die damalige "politische Öffentlichkeit" ganz unbemerkt durch ihr "Ja" zum Mitwirken an der Heilsgeschichte den Lauf der Weltgeschichte entscheidend mitbestimmte.
Vielleicht hilft ein kleines Bibelwort weiter, das die Kirche an diesem 1. Januar den Menschen in den Gottesdiensten vorliest: "Maria bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach." (Zu finden ist das im Lukasevangelium, Kapitel 2, Vers 19). Mit dem "Kalender des Glaubens" könnten wir es wie Maria machen: alles, was geschieht, im Herzen bewahren und darüber nachdenken. Im "Kalender des Glaubens" verzeichnen, was an unseren durchlebten Terminen selig-machend und zukunfts-bringend gewesen sein kann. Möglicherweise kann unser termingefüllter Alltag dann ein zukunftsgerichteter sein für ein Himmelreich Gottes, das schon hier und jetzt beginnt. „Noch 150 Meter zur Zukunft?“ Nein: „Zukunft schon hier!“